Nachhaltige Gemeindeentwicklung
Begrenzung der Flächenversiegelung, Förderung der Entsiegelung
Vorrang Entwicklung im Ortskern und Reduzierung von Leerständen
Vorgaben und Förderung für nachhaltiges Bauen: energetisch, Regenwassernutzung, …
Örtliches Gewerbe stärken - Kleingewerbe und Dorfläden fördern
Neubau-/Gewerbegebiete nur unter strengen Auflagen bezüglich nachhaltiger Bauweise, Regenwassernutzung, Klimaneutralität, Flächenverbrauch und –versiegelung
Kein Vorschub für Spekulanten
Planungsvorgaben Gemeinde
Flächenversiegelung / Gartenflächen/ Vorgärten die mit Steinen versiegelt werden / Regenwasser-Zisternen / Photovoltaik / Brauchwasseranlagen …
Alles in die neuen B-Pläne mit aufnehmen, die alten B-Pläne ergänzen!!
Neuer Wohnraum / Neubaugebiete
Vorrang Entwicklung im Orts- / Ortskernbereich (leerstehende Gebäude wieder herrichten / Ausbau bestehender Gebäude?) vor Ausweisung neuer Bauflächen außerhalb
Statt externer Investoren- Planung + Umsetzung im Gemeindeauftrag an Planer vergeben....
Alternativen:
- Staatliche Planungsbüros / -gesellschaften ?
- Architektenwettbewerb ?
- ...?
Kommunale Gewerbeentwicklung
- örtliches Gewerbe stärken
- Kleingewerbe fördern!!
- Lokale Vermarktung fördern
- Unterstützung bei der digitalen und energetischen Transformation
- Unterstützung und Schaffung entsprechender Onlineplattformen
- Vernetzung lokaler Betriebe & Geschäfte
- Einsatz für die Reduzierung bürokratischen Aufwandes insbesondere für Kleinbetriebe
Siggi u. Martina: Wir finden es ist wichtig, dass wir so ein Lädchen unterstützen ,und auch dafür sorgen sollten, dass so ein Lädchen in unserem Dorf bleibt, da hier jeder Gelegenheit hat, per Fuß oder Fahrrad einkaufen kann.
Heiko Gläsel und Karin Schmitt: Unsere Region zeichnet sich hauptsächlich durch kleinere Betriebe mit menschlichen Arbeitsplätzen aus. Große Produktionsanlagen verdrängen die kleinen Betriebe mit ihren individuellen Angeboten. Wir schließen uns da dem Beitrag von Siggi und Martina voll an.
Unsere fruchtbaren Böden sind viel zu wertvoll für unsere Ernährung, um sie als industrielle Produktionsflächen zu mißbrauchen. Wir befinden uns auch in einem wichtigen Grundwassereinzugsgebiet und sollten schon aus diesem Grund jegliche Verunreinigung unseres Wassers vermeiden.
Keine Großprojekte Gewerbe „auf der Heide“ (z.B. in Harb)???
Hermann: Gegen Großprojekte wie das in der Herb geplante habe ich eigentlich nichts einzuwenden, solange dort neue Arbeitsplätze entstehen würden. Am besten mit produzierendem Gewerbe.
Hintergrund / Presse
- Die Sonne nutzen
- Akkubohrer aus der Bücherei
- Neues Leben in Ortskernen
- Mehr als nur Lockdown
- Wenn Neubau Wert vernichtet
- Gewerbegebiet Harb
- Einfamilienhaus
- Weitere Presseartikel
- Vor Ort und im Netz verkaufen
- Kleine Läden in Ortsmitten fördern
- Lebensmittellädchen Wolferborn
- Geschäfte in Büdingen
- Fördermöglichkeiten
Solarkataster Hessen zur Planung von Solaranlangen nutzen
Das Solarkataster Hessen ist ein ausgezeichnetes Werkzeug für die Planung von Anlagen zur Nutzung der Solarenergie, sowohl für Photovoltaik als auch Solarthermie.
Es ermöglicht für jede Dachfläche in Hessen eine schnelle erste Berechnung, ob eine Solaranlage wirtschaftlich ist, wie hoch die voraussichtlich Investition ist und wann sich die Investition amortisiert.
Grundlage der Analyse sind hochauflösende Sensoren aus der Fernerkundung (Laser oder Stereoluftbilder).Die benötigten Datengrundlagen werden durch eine Befliegung gewonnen. Mit einer Punktedichte ab 2 Punkten pro m2 und einer Lage- und Höhengenauigkeit von ca. 0,15m bei Laserscannerdaten bzw. einer Bodenauflösung von mindestens 10cm bei Stereoluftbildern besteht die Möglichkeit, kleinste Strukturen auf Dachflächen (z.B. Schornsteine, Gauben) zu erfassen und bei der Berechnung zu berücksichtigen.
Zur Lokalisierung der Gebäude werden die Gebäudeumrisse aus dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) hinzugezogen. Durch eine Verschneidung von 3D-Informationen und Katasterdaten sowie einer Simulation der Sonneneinstrahlung über den Tag und das Jahr hinweg kann für jede einzelne Fläche der zu erwartende Stromertrag exakt berechnet werden.
Ausschlaggebende Faktoren sind dabei
• Neigung des Daches,
• Ausrichtung des Daches,
• Verschattung durch Gelände, Vegetation oder benachbarte Gebäude
Auf Basis dieser Werte wird für jede Stelle des Daches das Solarpotenzial in Kilowattstunden berechnet. Nach über 5 Millionen analysierten Dachflächen weltweit wurde das preisgekrönte Solarkataster SUN-AREA im Jahr 2013 grundlegend weiterentwickelt. Mit SUN-AREA 3.0 ist es erstmals möglich, das solare Potential ALLER Flächen eines Gebiets darzustellen.
In einer Internetkarte können Sie per Mausklick z.B. für alle Dachflächen, die EEG geförderten Freiflächen oder Parkplätze Ihre gewünschte Fläche auswählen. Für jede Fläche können Sie mit unserem integrierten Wirtschaftlichkeitsrechner die Amortisationszeit und Rendite ihrer Solaranlage berechnen. Das Solarkataster zeigt Ihnen auf einen Blick die wirtschaftlichsten Solarflächen durch eine detaillierte Besonnungskarte vom Untersuchungsgebiet. Die Potentiale können sowohl für solarthermische als auch für PV-Anlagen ermittelt werden.
Zukünftig wird das Thema Eigenverbrauch für die Wirtschaftlichkeit von Solaranlagen immer bedeutender. Mit SUN-AREA 3.0 kann die optimale Modulgröße in Abhängigkeit des individuellen Eigenverbrauchs berechnet werden. Durch die Auswahl eines Stromspeichers wird der Anteil des genutzten Stroms zusätzlich optimiert.
Ein Solarthermierechner gibt zudem unter Berücksichtigung der individuellen Verbrauchs- und Bedarfssituation des jeweiligen Haushaltes eine Prognose über mögliche Einsparmöglichkeiten durch die Installation einer Solarthermieanlage aus.
Hier kann man zur weitergehenden Information einen Vortrag von Andreas Wöll von der Landes Energie Agentur Themenfeld Energie -Beratungsstelle dezentrale Energieerzeugung herunterladen.
„Bibliothek der Dinge“ in Frankfurt verleiht Alltags-Gegenstände
Kreisanzeiger / 29.04.2021
Von Jenny Tobien
FRANKFURT . Wer kennt das nicht? Da werden aus einem bestimmten Anlass der Schlagbohrer, das Waffeleisen oder ein großes Zelt gekauft – und wenig später stehen die selten genutzten Sachen als Staubfänger herum. In mehreren hessischen Städten können Werkzeuge, Gartenzubehör, Elektrogeräte oder Freizeitartikel stattdessen ausgeliehen werden: ob beim Verein „allerleih“ in Kassel, in Leihläden in Maintal und Fulda oder neuerdings auch in der Frankfurter Stadtbücherei.
„Das läuft richtig gut an, wir werden regelrecht überrannt“, sagt Sebastian Wilke, der die „Bibliothek der Dinge“, die vor bald drei Wochen an den Start ging, mitinitiiert hat. Unter dem Motto „Zeusch für Eusch“ werden an zwei Standorten in Frankfurt mehr als 80 Gegenstände verliehen. In der Musikbibliothek in der Innenstadt gibt es Instrumente oder Aufnahmeequipment, im Bibliothekszentrum im Stadtteil Sachsenhausen sind beispielsweise Bohrmaschinen, ein Fahrrad oder ein Teleskop im Angebot. „Der erste Gegenstand, der in Sachsenhausen wegging, war meines Wissens die Eismaschine“, sagt Wilke. Ausleihen könne jeder, der über 18 Jahre alt ist und einen Bibliotheksausweis besitzt. Nach spätestens vier Wochen müssen die Sachen zurückgegeben werden.
Ganz neu ist die Idee aber nicht. „Wir sind da nicht die Ersten. Das ist ein Trend, den es seit ein paar Jahren in öffentlichen Bibliotheken gibt, nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland“, erklärt Wilke. Das Konzept ergebe auf vielen Ebenen Sinn. Da sei zum einen der Nachhaltigkeitsaspekt, denn durch das Teilen werden die Umwelt geschützt und Ressourcen geschont. Zudem könne man Dinge erst einmal ausprobieren – ob die Gitarre, das Waveboard oder die VR-Brille – bevor man sich diese endgültig anschaffe.
Ein ähnliches Angebot gibt es seit einigen Monaten in Kassel: Dort ging im vergangenen September der Verein „allerleih“ an den Start. In Kooperation mit der Kassler Stadtbücherei und einem Repariercafé verleiht die Initiative um die 130 Gegenstände an die Mitglieder des Fördervereins. „Wir haben beispielsweise ein E-Lastenrad, viel professionelles Werkzeug, einen Beamer und eine Leinwand, ein Acht-Mann-Camping-Zelt oder eine Nudelmaschine“, sagt Initiatorin Josefine Döring. „Das Schöne ist, dass es neben den nachhaltigen und umweltschonenden Aspekten auch einen sozialen Aspekt gibt“, erklärt die 25-jährige Studentin. Da keine Ausleihgebühren, sondern lediglich ein Mitgliedsbeitrag von zwei Euro im Monat anfallen würde, könne jeder das Angebot nutzen. Das sei ein großer Schritt in punkto Chancengleichheit und wirtschaftlicher Teilhabe.
Bislang sei die Nachfrage, wohl auch wegen Corona, noch recht überschaubar. Doch die Idee verbreitet sich weiter: So hätte der Verein bereits Anfragen aus Marburg und Göttingen erhalten, wo demnach ähnliche Initiativen geplant sind.
Auch Offenbach plant eine „Bibliothek der Dinge“. Derzeit ruft die Stadt im Internet zu einer Umfrage auf, um herauszufinden, welche Objekte besonders gefragt wären. „Wir möchten Gegenstände aus verschiedenen Bereichen verleihen, zum Beispiel Dinge, die Sie im Haushalt, im Urlaub oder in der Freizeit nutzen können“, heißt es da. „Das spart Geld und fördert Nachhaltigkeit!“
Lena Herget-Umsonst startet Projekt, um alte Gebäude zu retten und Leerstände zu vermeiden
KA / 08.04.2021
REICHELSHEIM (red). „Unsere identitätsstiftenden Ortskerne sind es wert, dass wir gemeinsam Lösungen finden, um sie zu beleben“, sind sich Bürgermeisterin Lena Herget-Umsonst und Bauabteilungsleiterin Petra Klöppel einig. „Wir möchten unsere Ortskerne mit neuem Leben füllen und nachhaltig stärken. Deshalb starten wir testweise mit einem niedrigschwelligen Angebot an Eigentümer von leer stehenden Altbauten oder solchen, die sich mit dem Gedanken tragen, eine Immobilie in einer alten Ortslage zu erwerben und mit neuen Nutzungen zu versehen“, sagt Herget-Umsonst weiter.
„Wir möchten einen ersten Einstieg in das Thema finden und neue Beratungsmodelle erproben“, informiert die Bürgermeisterin. „Ich bekomme häufig die Rückmeldung von Eigentümern und Interessenten, dass sie sich eine fachkundige Erstberatung wünschen würden und einen Lotsen, der sie durch den Behördendschungel und die Förderlandschaft führt.“ Während ihrer Recherche sei sie auf die „Altbaulotsen“, eine in 2014 gegründete Arbeitsgruppe aus erfahrenen Architekten, Ingenieuren und Unternehmern gestoßen und habe den Kontakt zu Sabine Schleicher aufgenommen, die die Geschäftsstelle innehat. Ziel der Altbaulotsen sei es, Immobilienverfall und Leerstände zu vermeiden, Lösungsansätze, Fördermöglichkeiten und Finanzierungsmodelle aufzuzeigen, bei Behördengängen zu unterstützen, unsachgemäße Sanierungen zu verhindern und regionale Baukultur zu erhalten. Das methodische Vorgehen der Altbaulotsen schaffe für Hauseigentümer Entscheidungsgrundlagen für den Umgang mit ihrer Immobilie. Ziel des Pilotprojektes sei eine Projektstudie, die eine seriöse Entscheidungsgrundlage bieten solle.
Projektanfragen, die sich auf Einzelobjekte oder zusammenhängende Hofanlagen innerhalb des Stadtgebiets beziehen, können ab sofort bis zum 30. Juni bei der Stadt Reichelsheim postalisch (Zum Rathaus 1) oder per E-Mail an rathaus@stadt-reichelsheim.de eingereicht werden. Der Magistrat wird die Auswahl eines Pilotprojektes, das eine kostenlose Beratung durch die Altbaulotsen erhält, nach der Sommerpause vornehmen. Die Beratung soll ab Herbst 2021 starten.
„Wir starten mit dieser ersten Initiative, einen Versuch, um unseren Lebensraum Dorf zu gestalten. Wir möchten Bestandsgebäude zukunftsfähig machen und ortsbildprägende Bausubstanz erhalten und entwickeln. Wenn dieses Pilotprojekt erfolgreich verläuft, würde ich im kommenden Jahr das Beratungsangebot sehr gerne ausweiten“, kündigt die Rathauschefin abschließend an.
Vorschlag zum sicheren Einkaufen in Büdingen
Erst Schnelltest, dann shoppen
Büdingen hat das Beispiel Tübingen im Blick und will Modellstadt werden / Antrag in Wiesbaden
KA / Dienstag, 23.03.2021
BÜDINGEN (hks). Vorreiter in der Region? Büdingen will Modellstadt „Sicheres Einkaufen“ trotz Corona werden. Bürgermeister Erich Spamer (FWG) und der Gewerbeverein haben die Initiative ergriffen, um Einkaufen in Corona-Zeiten ein Stück weit sicherer zu machen. So das Ziel. Und das, obwohl die Inzidenz allgemein wieder in die Höhe schnellt.
Aktuell liegt ein Antrag der Stadt zur Prüfung beim hessischen Sozialministerium vor. Spamer hatte sich zuvor an Innenminister Beuth gewandt, der das Büdinger Ansinnen an das Klose-Ministerium weiterreichte. Im Kern soll erreicht werden: „Geschäfte sind offen, doch die Corona-Zahlen bleiben niedrig“.
Der Vorstoß Büdingens geht in die Richtung dessen, was die Stadt Tübingen in Baden-Württemberg unter ihrem OB Boris Palmer (Grüne) praktiziert. „Dies könnte auch bald das Leben in Büdingen zum Positiven verändern“, hoffen die hiesigen Initiatoren. Ziel des Modellprojektes ist es, dass Kunden in den Büdinger Geschäften sicher einkaufen können und ein weitgehend „normales“ Einkaufserlebnis unter Einhaltung der AHA+L Regeln haben.
Dazu, so der Gedanke, soll es eine Schnellteststation in der Kernstadt geben. Zunächst sah das Modell vor, dass diese Teststation von Stadt und Gewerbeverein gemeinsam betrieben wird. Hierbei hätte lediglich sichergestellt sein müssen, dass die qualitativen Anforderungen an die jeweilige Testung eingehalten werden. Dann stehe einer Erlaubniserteilung nach Testverordnung nichts im Wege, stellt die Büdinger Verwaltung die Sicht des Gesundheitsamts des Wetteraukreises dar.
Zwischenzeitlich haben aber zwei Privatfirmen Interesse bekundet, in der Stadt eine Teststation zu betreiben. Der Aufwand könnte nach Büdinger Darstellung dann über die Kassenärztliche Vereinigung pauschal abgegolten werden. In einem Fall handelt es sich um eine Unternehmenskette, die gegenüber dem Land angeboten hat, an bestimmten Standorten in hessischen Kommunen solche Stationen zu betreiben. Ein anderer Interessent stammt laut Spamer aus der Region. Hier müsste aber noch die Frage des Standortes einer etwaigen Teststation (Immobilie) geklärt werden. Die Stadt, so sagt Spamer, könnte auch mit Personal unterstützen, wenn es um die Testungen geht.
Das Büdinger Modell würde so aussehen: Das Ergebnis eines Schnelltestes liegt in aller Regel innerhalb weniger Minuten vor. Der Getestete erhält nach dem vorgesehenen Modell ein personifiziertes Zertifikat, das 24 Stunden Gültigkeit hätte (allen Bürgerinnen und Bürgern stehe ohnehin ein kostenloser Test pro Woche zu). Mit dem Zertifikat könnte der Kunde dann in allen teilnehmenden Geschäften in Büdingen ohne vorherige Terminvergabe zum Einkaufen gehen. Die teilnehmenden Geschäfte müssten sich vorher bei der Stadt schriftlich registrieren lassen, wobei beim Betreten des Geschäftes beziehungsweise Ladens beim Kunden noch ein kontaktloser Fiebertest zusätzlich gemacht werde. Und das Personal in den Geschäften und Läden? „Ich weiß selbst von einigen, dass dort schon jetzt mit Schnelltests gearbeitet wird.
Spamer bemüht sich in Gesprächen mit Landkreis, Ministerium und weiteren Beteiligten derweil intensiv darum, dass eine Schnellteststation möglichst bald in Betrieb gehen kann. „Sollte dieser Modellversuch die erhoffte positive Wirkung erzielen, könnte es in Büdingen vielleicht auch schon bald heißen: ,Geschäfte sind offen, ebenso Straßencafés und sogar das Kino – doch die Corona-Zahlen bleiben niedrig`. Aber auch dazu können wir alle jetzt schon durch besonnenes Verhalten beitragen“, sagt Spamer.
In vielen Baugebieten entsteht heute der Leerstand von morgen
Anstatt immer mehr Häuser desselben Typs zu bauen, sollte man sich um die kümmern, die schon da sind.
FAS / 07.03.2021 - Von Judith Lembke
Wer wissen will, wie die Zukunft vieler Neubaugebiete aussieht, die im Moment am Rand von Dörfern und kleinen Städten in die Landschaft wachsen, könnte einen ihrer Vorgänger besuchen. Ungezählte Einfamilienhaussiedlungen sind in den Wirtschaftswunderjahren in Westdeutschland jenseits der großen Städte entstanden, in manchen Regionen machen Ein- und Zweifamilienhäuser 80 Prozent der Wohngebäude aus.
Einige dieser Siedlungen sind nur mit den Bewohnern gealtert. Andere hat es schlimmer erwischt. Es gibt Straßenzüge, in denen nur noch ein paar alte Damen in ihren Häusern die Stellung halten, die anderen sind unbewohnt. Manchmal mähen Nachbarn den Rasen und hängen Gardinen zur Tarnung ins Fenster, damit die Leere nicht so auffällt. Denn Leere hat keinen guten Ruf – genauso wenig wie Schrumpfung und Überalterung. In einem Land, das seit Jahren unter steigenden Hauspreisen und Mieten ächzt, sorgen sich Kommunen, aus denen die Menschen wegziehen und keine Käufer für ihre alten Häuser finden, um ihr Image. Nicht wenige weisen lieber Bauland aus, um junge Familien anzulocken, anstatt sich dem Leerstand in ihren Zentren und in die Jahre gekommenen Einfamilienhaussiedlungen zu stellen. Die traditionellen Wohnwünsche einer Familie mit zwei Kindern und Eltern, die mit dem Auto zur Arbeit pendeln, werden wieder und wieder in Beton gegossen, obwohl der gesellschaftliche Wandel an diesem Lebensmodell nagt.
Viele Eigentümer, die jetzt in ihr neues Einfamilienhaus ziehen, wird es in ein paar Jahrzehnten nicht anders gehen als denen, die dasselbe vor dreißig oder vierzig Jahren getan haben: Wenn sie ihr Haus irgendwann verkaufen wollen, stellen sie fest, dass die Technik veraltet, der Grundriss unmodern und die Infrastruktur im Quartier dürftig ist. Dass das Objekt, in dem der Großteil des Familienvermögens steckt, keiner zu einem für die Verkäufer vernünftigen Preis haben will.
„Wir bauen den Leerstand von morgen“, kommentiert Christina Simon-Philipp die Diskussion, ob der Bau immer neuer Einfamilienhausgebiete noch zeitgemäß ist. Denn die Zielgruppe für diese Häuser wird immer kleiner, während ihr Bestand immer größer wird. Nur noch jeder zweite Deutsche im mittleren Lebensalter lebt noch in einer Eltern-Kind-Gemeinschaft. Die Architektin und Stadtplanerin aus Stuttgart hat in zwei Studien für die Wüstenrot Stiftung die Perspektiven von in die Jahre gekommenen Einfamilienhausgebieten untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd: Für viele dieser Häuser jenseits der Ballungszentren gibt es keine Nachfrage mehr, wenn die alten Bewohner sterben oder ins Altersheim ziehen. Der Trend wird sich noch verschärfen, denn vielerorts hat der Generationswechsel gerade erst begonnen.
Doch anstatt sich mit dem zu beschäftigen, was schon da ist, weisen die Gemeinden lieber neues Bauland aus. „Die meisten Kommunen setzen sich überhaupt nicht mit dem Bestand auseinander, viele wissen teilweise noch nicht einmal, wo ihre alten Einfamilienhausgebiete liegen“, hat Simon-Philipp beobachtet. Wenn überhaupt, sorgen sich die Politiker um den Leerstand im Zentrum. In den Siedlungen, wo er nicht so auffällt, gelten leere Häuser als Problem der Eigentümer.
Die Folgen davon, immer mehr Häuser vom selben Typ zu bauen, während ein paar Straßenzüge weiter ganz ähnliche vergammeln, tragen jedoch nicht nur die Eigentümer, deren Werte verfallen. Denn die Straßen müssen auch beleuchtet werden, wenn nur noch die Hälfte der Häuser bewohnt ist, und auch die Müllabfuhr kommt noch vorbei. Diese Kosten bleiben an der Kommune hängen. Gleichzeitig kostet die Erschließung eines einzigen neuen Grundstücks für ein Einfamilienhaus im Schnitt 30 000 Euro. Wenn hingegen ein bislang leeres Haus durch An- oder Umbau eine zweite Chance bekommt, profitiert nicht nur der Verkäufer, sondern oft der ganze Ort. Er bekommt eine sichtbare Perspektive, die Wiederbelebung strahlt auf die Umgebung ab, oft zieht eine geglückte Sanierung weitere nach sich. Das stärkt die Infrastruktur: Es gibt wieder mehr Käufer für den Einzelhandel, mehr Kinder in den Schulen und Menschen, die Bus fahren. Das Neubaugebiet am Ortsrand dagegen taugt nicht als Mittel gegen die Verödung des Bestehenden, es beschleunigt sie sogar.
Für Stadtplanerin Simon-Philipp liegt die Lösung auf der Hand. „Wir müssen die Menschen, die im Einfamilienhaus wohnen möchten, stärker in den Bestand lenken, anstatt neu zu bauen.“ Man müsse die Wohnwünsche der Menschen ernst nehmen. Aber die Sehnsucht nach einer eigenen Immobilie, einem vererbbaren Wert und grünen Freiräumen könne man nicht nur in einem Fertighaus auf der grünen Wiese verwirklichen, sondern zum Beispiel auch in einer Baugruppe, in einer Baulücke oder einem umgebauten alten Haus.
Dass der Neubau einer Kultur des Um- und Weiterbauens weichen muss, ist auch der Nachhaltigkeit geschuldet. Schließlich steckt in jedem alten Gebäude mehr als das reine Material, das beim Abriss auf der Deponie landet, sondern auch die graue Energie, die beim Bau, bei der Herstellung und dem Transport der Baustoffe ufgewandt wurde. Wer ein Gebäude weiter nutzt, spart vorneweg mindestens zwanzig Jahre der späteren Betriebsenergie ein. Die Nonchalance, mit der alte Gebäude abgerissen oder sich selbst überlassen werden, raubt Dörfern und Städten ihre Identität. Während in den schrumpfenden Gegenden Einwohner darunter leiden, dass der Kern verfällt, während der Rand durch Neubau aufgeblasen wird, verändern viele Ballungsräume immer stärker ihr Gesicht. Die hohen Bodenpreise führen dazu, dass in immer schnellerem Takt abgerissen und neu gebaut wird – auch dank einer Politik, die keine Anreize schafft, dem Alten eine zweite Chance zu geben.
Was den alten Einfamilienhäusern als Argument hilft, ist ihr günstigerer Preis im Vergleich zum Neubau. Im Schnitt lassen sich 90 000 Euro sparen, hat das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut im vergangenen Jahr errechnet. Das liegt vor allem an den stark gestiegenen Baulandpreisen. Ebenso kam eine Befragung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zu dem Ergebnis, dass immer mehr Menschen gebrauchte Häuser kaufen. Auch die Forscher vom Bundesinstitut haben den Preisvorteil als wichtigsten Grund ausgemacht, warum Käufer sich für ein Bestandsgebäude entscheiden. Aber auch das höhere Angebot spielt eine Rolle, ebenso wie die Lagen, die bei alten Siedlungen häufig zentraler und attraktiver sind als die von Neubaugebieten. Und noch etwas hat die Befragung ergeben: Wer sich für ein altes Haus entscheidet, ist mindestens genauso zufrieden wie der Käufer eines neuen.
Doch in der Provinz, wo das günstige Bauland lockt, ist es schwieriger, die Interessenten für ein altes Fachwerkhaus im Ortskern oder ein in die Jahre gekommenes Siedlungshäuschen zu begeistern. „Vielen fehlt die Vorstellungskraft, was man aus so einem Gebäude machen kann“, sagt Stadtplanerin Simon-Philipp. Zudem ist der finanzielle Aufwand für einen Umbau oft schwieriger zu kalkulieren als für ein schlüsselfertiges Haus vom Bauträger.
Anders sieht es aus, wenn die Kommunen die leeren Häuser nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern sich der Herausforderung stellen. Je nach Lage vor Ort kann die Unterstützung ganz unterschiedlich aussehen: Im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck wurde ein typisches Einfamilienhaus aus den sechziger Jahren zum Musterhaus umgebaut, um verschiedene Umbauvarianten zu zeigen, die sich auf die eigene Wohnsituation übertragen lassen. Im hessischen Wanfried wollte man dem Verfall der alten Fachwerkhäuser im Ortskern nicht tatenlos zusehen. Um Käufern die Angst vor den historischen Gebäuden zu nehmen, modernisierte die Stadt beispielhaft eines von ihnen und lockt seitdem Fachwerkliebhaber aus dem ganzen Land an. Unter dem Namen „Spessart Kraft“ haben sich verschiedene unterfränkische Kommunen zusammengetan, um über eine gemeinsame Immobilienbörse ihre leerstehenden Gebäude und Baulücken zu vermarkten. Dadurch will man Einheimische und Zuzügler mit günstigem Wohnraum anlocken, ohne weitere Flächen am Ortsrand zu verbrauchen. Die westfälische Gemeinde Hiddenhausen ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hat vor einigen Jahren mit „Jung kauft Alt“ ein vielkopiertes Förderprogramm aufgelegt. Wer sich für den Kauf einer mindestens 25 Jahre alten Immobilie entscheidet, bekommt sechs Jahre lang zwischen 600 und 1500 Euro, je nach Kinderzahl. Zudem finanziert die Kommune Altbaugutachten, um potentiellen Käufern die Sorge vor dem Kauf eines gebrauchten Gebäudes zu nehmen, und unterstützt diejenigen, die ihr altes Haus energetisch sanieren wollen, mit einem Zuschuss. Mehr als 650 junge Familien hat die Stadt mit ihrem Programm schon in die alten Häuser gebracht. In seltenen Fällen sind die Programme sogar so erfolgreich, dass sie sich selbst überflüssig machen. Wegen steigender Leerstände hat die Stadt Cuxhaven vor einigen Jahren die Wohnlotsen ins Leben gerufen, ein Netzwerk aus örtlichen Maklern, Architekten und Banken, gegründet mit dem Ziel, die leeren Gebäude zu vermitteln. Mittlerweile ist das Projekt wieder auf Eis gelegt. „Es gibt keinen Leerstand in Cuxhaven mehr, im Gegenteil, wir suchen Objekte“, sagt Wohnlotse Detlef Osterndorff, Makler bei der Stadtsparkasse. So ganz traut man dem Frieden aber nicht, denn spätestens wenn die Zinsen wieder steigen, könnte es mit dem Boom an der Nordsee auch wieder vorbei sein. Zudem haben viele alte Einfamilienhäuser den Generationswechsel noch vor sich. Man könne das Projekt jederzeit reaktivieren, sagt Osterndorff. „Wir stehen in den Startlöchern.“
Interkommunaler Gewerbepark Oberhessen: Grüne der Region machen sich für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung stark
„Nein zum Flächenfraß“
KA / Montag, 01.03.2021
BORSDORF (red). Der interkommunale Gewerbepark Oberhessen war Thema eines digitalen Treffens Grüner Vertreter der Region. Den kommunalen Parlamenten von Nidda, Gedern, Hungen, Echzell, Kefenrod, Ortenberg, Ranstadt und Schotten liegt derzeit die Planung zur gemeinsamen Entwicklung eines 19 Hektar großen Parks zur Entscheidung vor. Nach dem Treffen der Grünen herrscht Einigkeit: Die Ortsverbände unterstützen das Projekt unter der Kernanforderung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung hervor, die mit den Worten „Nein zum Flächenfraß“ und „Ja zur nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung“ überschrieben ist.
Hervorzuheben seien nach Ansicht der Grünen außerdem der kreisübergreifende interkommunale Charakter sowie die ökologische Eignung der geplanten Fläche und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Wetterau unter Einbindung der Universitäten Gießen und Darmstadt. Um gezielt auch jungen Menschen im ländlichen Raum eine Zukunft zu bieten, sollten auch die Berufsschulen in die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts einbezogen werden.
Der Niddaer Fraktionsvorsitzende Marcus Stadler stellte das Projekt vor. „Wenn es darum geht, einer Flächenausweisung von 19 Hektar zuzustimmen, braucht es für Grüne schon verdammt gute Argumente“, sagte Stadler. Dem ökologischen Schaden durch Bebauung müsse ein deutlich höherer Nutzen und eine angemessene Kompensation gegenüberstehen. „Die Negativ-Beispiele der Logistikkomplexe in Wölfersheim, Lich und Hammersbach zeigen, wie es auf gar keinen Fall gehen darf. Die in Borsdorf ausgewiesenen Flächen stehen schon lange im Flächennutzungsplan und wurden zur NS-Zeit durch den damaligen Feldflughafen bereits stark in Mitleidenschaft gezogen. Die interkommunale Entwicklung des Gewerbegebietes bietet die große Chance, uns regional auf die Entwicklung einer zentralen Gewerbefläche zu beschränken, während gleichzeitig alle umliegenden Kommunen profitieren. So kann an anderer Stelle auf Baugebiete verzichtet werden. Sofern auch die notwendigen Kompensationsmaßnahmen für den Naturschutz sinnvoll genutzt werden, kann die Ökobilanz für den Gewerbepark positiv ausfallen“, führte Stadler aus. „Aber das größere Ziel muss kreisweit und mittelfristig ,Netto-Null‘ heißen – also Versiegelung nur gegen Entsiegelung oder Schutz bereits ausgewiesener Flächen an anderer Stelle.“
Mit dem Gewerbegebiet zwischen Borsdorf und Harb sollen neue Wege beschritten werden. Hohe ökologische Auflagen für energieeffizientes und ressourcenschonendes Bauen werden festgeschrieben. Die Ansiedlungsstrategie sieht technologieorientierte Unternehmen mittlerer Größe und mit höherqualifizierten Arbeitsplätzen vor, durch die sich ein gutes Verhältnis von bebauter Fläche zur Anzahl von Arbeitsplätzen ergibt. Unternehmen, die sich, um die Auflagen der Klimaneutralität zu erfüllen, neu aufstellen müssen, möchte man mit dem Gebiet ein Angebot machen. „Immerhin reden wir über die Schaffung von bis zu 2000 Arbeitsplätzen. Wenn diese mit ihren Familien hier wohnen und nicht pendeln müssen, ist das auch ein ökologischer Gewinn“, betonte der Ortenberger Felix Kratz. „Doch die Rechnung geht natürlich nur auf, wenn wir dafür an anderer Stelle in Oberhessen Flächen entlasten und weiteren Naturraum schützen.“
„Bei einer Neuausweisung von Gewerbeflächen darf es nicht mehr einfach nur darum gehen, dass für Gewerbe- und Industriegebiete im Rhein-Main-Gebiet kein Platz mehr ist und die Bodenpreise dort zu hoch sind. Das führt dazu, dass wir unsere wertvollen Böden weiter verramschen“, erklärte die Schottenerin Bernadette Eisenbart. Der Hungener Stadtverordnete Frank Bernshausen forderte: „Wir müssen aufhören mit großflächigen Hallenansiedlungen, die nur wenigen nützen, aber vielen schaden. Unser Gegenmodell heißt nachhaltig, zentral und mit möglichst kleinen Flächen möglichst hohe wirtschaftliche Effekte für alle zu erzielen.“
Einig ist sich die Gruppe auch darüber, dass eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung Oberhessens mit Nachhaltigkeit ein Markenkern der Region werden soll. „Auf keinen Fall möchte man als Anhängsel des Ballungsraums zusehen, wie die Region zubetoniert wird“, findet Christa Degkwitz vom Ortsverband Echzell.
Der Verbund aus Grünen-Ortsverbänden und -Fraktionen will sich auch künftig um kreisübergreifende Themen und kommunalpolitische Schnittstellen kümmern, um das Thema nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz in Oberhessen voranzutreiben.
Hofreiter und das Einfamilienhaus
KA / 16.02.2021
Von Martin Kessler und Jan Drebes
Grünen-Fraktionschef tritt mit Umweltkritik Welle der Empörung los – und ist auf Schadensbegrenzung bedacht
BERLIN / DÜSSELDORF. Die Grünen als Verbotspartei – diesen Vorwurf kennt der Fraktionschef der Öko-Partei, Anton Hofreiter, nur zu gut. Nach einem „Spiegel“-Interview, in dem der Grüne eine betont kritische Haltung zu Einfamilienhäusern einnimmt, waren er und seine Mitstreiter bemüht, die Wogen zu glätten. „Die Grünen wollen nicht die eigenen vier Wände verbieten“, hatte Hofreiter schon im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin eingeschränkt. Am Wochenende korrigierte dann ein Sprecher der Fraktion den Eindruck, die Grünen wollten den Neubau von Einfamilienhäusern verbieten: „Die eigenen vier Wände sind für viele Menschen wichtig – dazu gehört auch das Einfamilienhaus. Das wird es auch in Zukunft geben – so wie Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser, Mietshäuser.“
Noch mehr Verkehr
Hofreiter hatte zuvor erklärt, Einparteienhäuser verbrauchten viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie. „Sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.“ Zugleich verteidigte er das Vorgehen eines grünen Bezirksamtsleiters in Hamburg-Nord, der in den Bebauungsplänen des Stadtteils dafür gesorgt hatte, den Neubau von Einfamilienhäuser zu untersagen.
Bei der Union und den Wirtschaftsverbänden lösten die Äußerungen Hofreiters Empörung aus. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sagte, die Haltung der Grünen sei „von vorgestern“ und zeige „einmal mehr, dass sie einfach ein Problem mit Eigentum haben“. Freiheit bedeute eben auch die „Freiheit, selbst zu entscheiden, wie man wohnen möchte“. Kritik kam auch von den Verbänden. Der Präsident der Eigentümervertretung Haus & Grund, Kai Warnecke, sprach von „reiner Ideologie“. Die Grünen wollten, „dass alle Bürger gleich wohnen“, erklärte Warnecke. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), erklärte: „Wer heute neu baut, baut nachhaltig: Eigenheimbauer planen und bauen nach hohen Standards in Sachen Energieeffizienz und nutzen neueste und nachhaltige Verfahren.“
SPD-Parteivize Kevin Kühnert pochte auf eine sachliche Auseinandersetzung. „Anstatt die Grünen als Verbotspartei anzuprangern und eine langweilige Grüne-Socken-Kampagne zu fahren, sollte man sie mit ihren eigenen Widersprüchen konfrontieren“, sagte Kühnert. „Im von Winfried Kretschmann und den Grünen regierten Baden-Württemberg wurden durch Kommunen zuletzt mehr als 800 Ein- und Zweifamilienhäuser auf der grünen Wiese genehmigt. Das bedeutet mehr Flächenverbrauch bei niedrigeren Umweltstandards und ist genau das, wogegen Anton Hofreiter argumentiert hat“, so Kühnert. Grüne Realpolitik und die Programmatik aus Berlin würden manchmal einfach nicht zusammenpassen. Die Förderung des Wohneigentums ist eine Trennlinie zwischen bürgerlichen Parteien wie der Union und der FDP sowie den links von der Mitte stehenden Gruppierungen wie den Grünen, der SPD und erst recht der Linken. So hat die CSU in der großen Koalition das Baukindergeld von 1200 Euro jährlich auch für höhere Einkommensgruppen durchgesetzt. Danach kann eine vierköpfige Familie bis zu einem Jahreseinkommen von 105 000 Euro einen Zuschuss von insgesamt 24 000 Euro zum Bau erhalten. Im schwarz-gelb regierten Nordrhein-Westfalen gibt es Darlehen mit langfristiger Niedrigzinsbindung von der landeseigenen NRW-Bank mit einem Tilgungsnachlass von 7,5 Prozent für einkommensschwächere Familien noch obendrauf.
Die Förderung sorgt nach Meinung von Umweltverbänden für erhöhten Druck auf die Kommunen, Neubaugebiete auszuweisen. Der Nabu etwa rechnet vor, dass es 2000 Jahre bräuchte, um einen zehn Zentimeter tiefen Mutterboden zu bilden. Umgekehrt verringert sich derzeit die freie Fläche in Deutschland nach Angaben des Verbands um ein Einfamilienhaus pro Minute. Es liegt in der Kompetenz der Kommunen, Baugebiete zu erschließen und eine Satzung für die zulässigen Gebäudetypen zu erlassen. Oft verdienen die Gemeinden an Neubaugebieten durch die Erschließungsgebühren und die aus den Neubauten resultierende Grundsteuer.
Ganz unbegründet ist die Sorge Hofreiters um die drohende Zersiedelung übrigens nicht. In Deutschland werden immer mehr Flächen versiegelt. 1992 betrug die Siedlungs- und Verkehrsfläche laut Statistischem Bundesamt 40 305 Quadratkilometer, fast 30 Jahre später (2019) sind 51 489 Quadratkilometer verbaut. Immerhin nahm das Tempo des Flächenverbrauchs in den vergangenen 20 Jahren deutlich ab.
KA / 16.02.2021
„Wirtschaftsforum Wetterau“ der Wirtschaftsförderung will Beispiele für innovative Vertriebskanäle aufzeigen
WETTERAUKREIS (red). Online-Handel oder Ladengeschäft? Das muss nach Ansicht der Wirtschaftsförderung Wetterau kein Widerspruch sein. Darauf will sie während ihrer nächsten Veranstaltung hinweisen: Mit „Wie Online-Kanäle stationären Handel und Dienstleistungen stärken“ ist das „Wirtschaftsforum Wetterau 2021“ überschrieben. Zu der digitalen Veranstaltung sind vor allem Händler, Dienstleister und Kommunen, aber auch andere Interessierte für Mittwoch, 24. Februar, ab 18 Uhr eingeladen.
Der stationäre Handel und die Dienstleistungen vor Ort seien von den pandemiebedingten Einschnitten besonders betroffen. „Zahlreichen Gewerbetreibenden ist durch die behördlich notwendigen Einschränkungen teilweise die gesamte Geschäftsgrundlage entzogen worden“, sagt Oliver Schmidt, Projektmanager bei der Wirtschaftsförderung Wetterau.
Welche Angebote und Hilfen es in dieser schwierigen Situation für die heimischen Unternehmen gibt, darauf weist die Wirtschaftsförderung mit Sitz in Friedberg regelmäßig auf ihrer Homepage und in ihrem Newsletter hin. Beim „Wirtschaftsforum Wetterau“ sollen nun Betroffene zu Wort kommen, die neue Wege gehen, um in der Krise zu bestehen.
Zunächst wird Projektmanager Schmidt auf die Auswirkungen der Pandemie auf die heimische Wirtschaft eingehen. Ebenso wird er aktuelle Unterstützungsprogramme vorstellen, etwa die Überbrückungshilfe III, bei der Unternehmen von November 2020 bis Juni 2021 bis zu 1,5 Millionen Euro pro Monat erhalten können.
Darüber hinaus, so die Wirtschaftsförderung, stellten sich die Unternehmen, Gewerbevereine und Kommunen die Frage, wie sie mit eigenen Aktivitäten auf die Krise reagieren können. Eine Überlegung sei gewesen, die lokalen Angebote der Händler und Gastronomen auch online abzubilden. „Denn der Online-Handel konnte von der Krise stark profitieren“, sagt Schmidt. „So wollte man einen Teil des Gewinns wieder in den stationären Handel zurückzuholen.“ Herausgekommen seien meist Online-Schaufenster-Lösungen: Die Händler bildeten ihre Produkte und Dienstleistungen online ab. Das funktioniere, aber: „Wir wollen einen Schritt weitergehen und besondere, innovative Beispiele von Online-Kanälen vorstellen“, sagt Schmidt.
Denn, so erklärt der Projektmanager: Die Corona-Pandemie sei zwar ein Beschleuniger für solche Aktivitäten, zeige aber auch, dass die zugrunde liegende Thematik eine langfristige sei, die mit der grundsätzlichen Haltung der stationären Betriebe gegenüber Online-Vertriebskanälen zusammenhänge. Aus Sicht der Wirtschaftsförderer bieten sowohl der stationäre als auch der Online-Handel verschiedene Vor- und Nachteile für den Kunden. Nicht zwangsläufig seien sie dadurch Konkurrenten. „In einer Synergie und zunehmenden Hybridisierung sehen wir das Potenzial der regionalen Anbieter, sich auch langfristig gegenüber den reinen Online-Häusern zu behaupten.“
Diesen Standpunkt vertritt auch Prof. Dr. Shyda Valizade-Funder von der Hochschule Darmstadt: Sie hält beim Wirtschaftsforum einen Kurzvortrag über „Online-Plattformen und digitale Vertriebswege mit Mehrwert für Anbieter und Kunden“.
Wie das in der Praxis funktionieren kann, wird anhand von zwei Online-Plattformen vorgestellt. Zum einen ist das „zircl.de“ aus Friedrichsdorf mit über 200 Unternehmen, zum anderen „regyonal“ aus Hungen mit über 400 Unternehmen. „Beide Anbieter haben ein innovatives, überregionales Konzept, das über ein rein digitales Schaufenster hinausgeht und den ,stationären‘ Bereich neu interpretiert. Dennoch bieten die Plattformen einen niedrigschwelligen Einstieg für die Händler und haben aus unserer Sicht langfristiges Potenzial“, sagt Schmidt.
Aus diesem Grund werden an diesem Abend nicht nur die beiden Geschäftsführer Daniel Gal (GAL Digital GmbH – „regyonal“) und Philipp Jones (Zircl GmbH – „zircl.de“) zu Wort kommen und ihre Plattformen vorstellen. Vor allem sollen Anwender von ihren Erfahrungen berichten. „Wir möchten Erfahrungen und Lösungsansätze aufzeigen – insbesondere aus der Perspektive der betroffenen Unternehmen und Kommunen“, sagt Schmidt.
Bei „zircl.de“ wird dies Monika Jost sein. Die Wirtschaftsförderin der Stadt Friedrichsdorf spricht über „Erfahrungen und Lösungsansätze einer Kommune zur Stärkung der lokalen Wirtschaft“. Das Besondere an diesem Beispiel sei die Kooperation zwischen Stadt und Plattform-Anbieter. Auch auf „zircl.de“ gebe es ein Schaufenster-Angebot: Der Kunde könne nach bestimmten Produkten und Händlern suchen, die Suche werde aber in einem bestimmten Radius durchgeführt, sei also kunden- und produktorientiert und nicht auf eine Kommune beschränkt. „Das ist das niedrigschwelligste Angebot dieser Plattform“, erklärt Schmidt. „Das Spektrum führt weiter etwa über eine Chat-Funktion und eine Online-Termin-Vereinbarung bis hin zum möglichen Betrieb eines eigenen Online-Shops.“
Auch die Ausrichtung von „regyonal“ sei besonders. „Das Neue hieran ist: Der Online-Kanal denkt den Innenstadtgedanken mit“, erklärt Schmidt. „Es gibt in diesem Konzept immer auch ein Geschäft vor Ort, samt persönlicher Beratung durch Verkäufer.“ Das Portal biete einen Such- und Bestellvorgang über Videotelefonie an, dabei gehe es meist um Markenprodukte. Dadurch, dass das Produkt auf diese Weise vorab gesucht werden könne, ersparten sich die Kunden unnötige Fahrten in die Stadt – und die Enttäuschung, wenn ihr gewünschtes Produkt dann doch nirgends zu finden ist. So müsse der Kunde tatsächlich nur dann in die Innenstadt, wenn er sein Wunschprodukt abholt.
Seine Erfahrungen mit dieser Form des Handels wird Jochen Ruths vom gleichnamigen Modehaus in Friedberg mit den Teilnehmern teilen. Er betreibt zwar auch ein eigenes Online-Portal, ist aber ebenso an „regyonal“ angebunden. Ruths spricht aber nicht nur aus seiner unternehmerischen Sicht, sondern auch als Präsident des Hessischen Einzelhandelsverbands und Vizepräsident der IHK Gießen-Friedberg. So wird er die Herausforderungen der Digitalisierung und die langfristigen Auswirkungen von Corona auf den lokalen Handel in den Fokus nehmen.
Bernd-Uwe Domes, mit Klaus Karger der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, richtet den Blick auf das Thema Stadtentwicklung. „Innenstädte sind wichtig für das Gesicht einer Stadt“, sagt er. Vielerorts gebe es dort Funktionsverluste – die schon vor Corona begonnen hätten. „Das Ziel muss sein, die Innenstädte als lebendige Orte zu erhalten, die eine Aufenthaltsqualität bieten.“ Nach den Vorträgen werden zwei digitale Räume geöffnet, in denen die Teilnehmer mit den Referenten in Kontakt treten, Fragen stellen und weitere Infos einholen können.
Das „Wirtschaftsforum Wetterau 2021“ wird als Zoom-Konferenz stattfinden. Die Zugangsdaten können per E-Mail an anmeldung@wfg-wetterau.de oder unter der Rufnummer 06031/772690 angefordert werden.
von Florian Leclerc
FR / 18.12.2020
Die Stadt schließt Einkaufszentren außerhalb der Innenstadt, der Stadtteilzentren und den Ortsmitten aus. Vorbild für das neue Konzept liefert ein Stadtteil in Wien.
Die Stadt will den Einzelhandel in Ortsmitten, Stadtteilzentren und in der Innenstadt fördern und Einkaufszentren außerhalb dieser Einkaufszonen verhindern. Das sieht das „Einzelhandels- und Zentrenkonzept“ vor, das der Magistrat am Freitag beschlossen hat. In der kommenden Woche wird das Konzept in der Stadtparlamentspost veröffentlicht. Ihm liegt eine Ausarbeitung von 2011 und die Fortschreibung von 2017 zugrunde.
Beabsichtigt sei, die Stellplatzsatzung zu ändern, sagte Mark Gellert, der Sprecher des Planungsdezernats. Demzufolge könnte der Einzelhandel zusätzliche Parkplätze beanspruchen. Das aber steht im Kontrast zu Erkenntnissen der Mobilitätsforschung. Demnach kaufen Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen übers Jahr gerechnet häufiger ein und lassen mehr Geld im Einzelhandel als Autofahrer:innen.
In Grundzügen vorgestellt wurde das Konzept, an dem die IHK Frankfurt und der Handelsverband Hessen-Süd mitgewirkt haben, am Freitag von Wirtschaftsdezernent Markus Frank (CDU) und Planungsdezernent Mike Josef (SPD).
Wiener Stadtteil als Vorbild
Nach dem Vorbild des Stadtteils „Seestadt Aspern“ in Österreichs Hauptstadt Wien soll eine Betreibergesellschaft die Bewirtschaftung von Erdgeschossflächen in Einkaufsstraßen koordinieren. Kleine Läden könnten so eine günstigere Miete erhalten als große Ketten, führte Gellert aus.
„Dadurch soll neben einer attraktiven Nahversorgung auch die Ansiedlung anderer gewerblicher und sozialer Nutzungen von Anfang an aktiv unterstützt werden“, teilten Frank und Josef mit. Dafür könnten auch Bebauungspläne geändert werden. „Die Stadt bekräftigt ihren Willen zur Steuerung der Einzelhandelsentwicklung, um starke und lebendige Ortsmitten, Stadtteilzentren und die Innenstadt zu erhalten und auf eine fußläufige Nahversorgung hinzuwirken“, sagte Josef.
„Einzelhandel soll vorrangig in die Zentren gelenkt und Ansiedlungen außerhalb der Zentren nicht begünstigt werden. Gewerbe- und Industriegebiete sind für das produzierende Gewerbe vorzuhalten“, sagte Frank.
Die Wirtschaftsförderung Frankfurt will ihr Leerstandsmanagement neu aufstellen, um Leerstand zu erfassen und zu managen. Das betrifft aber nur das Gewerbe, nicht den Leerstand von Wohnraum.
Regional, ökologisch und mit Herzblut
Zu Besuch im „Hofstüberl“ in Wolferborn / Sabine Daschmann und Michael Schmidt schreiben mit ihrem kleinen Lebensmittellädchen eine Erfolgsgeschichte
Von Paulina Schick
Kreis-Anzeiger, 23.01.2021
WOLFERBORN. Regional und ökologisch produzierte Lebensmittel scheinen für immer mehr Menschen an Bedeutung zu gewinnen. Gleichzeitig ist es schwierig, der Massenproduktion und dem Konsum Herr zu werden. Sabine Daschmann und Michael Schmidt bekommen diese beiden Seiten hautnah mit: Gemeinsam betreiben sie seit Oktober 2019 das „Hofstüberl“ in Wolferborn „Am Mühlgraben“. Sie verkaufen dort Lebensmittel, aber anders: „Weg von Massenabfertigung und Billigprodukten“ lautet das Credo in dem kleinen Laden – Qualität ist es, worauf es dem Paar ankommt.
Damit sind sie eine echte Alternative zu großen Supermärkten: Die meisten ihrer Erzeuger kennen sie persönlich, ihre Produkte sind regional, ein Großteil im unmittelbaren Umkreis produziert. Dabei wird ihnen aber auch immer wieder klar, wie viele Menschen im uneingeschränkten Überfluss den Bezug zu ihren Lebensmitteln verloren haben – den Bezug dazu, wie viel Arbeit eigentlich dahintersteckt, bis die Lebensmittel auf dem Tisch landen.
Nachts um Eins fährt Michael Schmidt los, nach Frankfurt ins Frischezentrum. Dort verbringt er die ganze Nacht damit, Ware genauestens in Augenschein zu nehmen, Preise zu vergleichen und einzukaufen. Die Lebensmittel kauft Schmidt hauptsächlich von Direktvermarktern: „Ich kaufe dort alles von kleinen Bauern aus der Umgebung, zum Beispiel aus Darmstadt oder Ober-Erlenbach, die ihre Ware in Frankfurt anbieten.“ Zweimal in der Woche macht er das. Und wenn der Tag anbricht: zurück nach Wolferborn, die Ware ausräumen, den Laden öffnen, in der Mittagspause zwischen 13 und 16 Uhr Bestellungen packen, den Lieferservice stemmen.
Dabei hat eigentlich alles mit einem Schild und ein paar Hühnereiern angefangen. „Wir hatten immer Hühner und haben die Eier zum Verkauf angeboten“, erinnert sich das Paar an die Anfänge. „Oft fragten Leute, ob wir nicht auch Kartoffeln oder Zwiebeln hätten.“ Und so nahm es seinen Lauf: Ganz klein fingen sie an und boten zunächst, gemäß der Nachfrage, Kartoffeln und Zwiebeln von einem Händler aus der Nähe an. „Ich wollte die Sache eher klein halten, das hat sich aber nicht lange halten können“, schmunzelt Sabine Daschmann, die nebenbei halbtags in einer Alten- und Pflegeeinrichtung in Hirzenhain arbeitet und Inhaberin des „Hofstüberl“ ist. Sie hat bereits ihre Kindheit in Wolferborn verbracht, zog mit ihrem Lebensgefährten nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2016 wieder dorthin zurück. Die hatte an Ort und Stelle zuvor schon jahrelang einen kleinen Getränkemarkt geleitet – das „Hofstüberl“ sollte ihn jetzt wiederbeleben. Klein angefangen auf etwa acht Quadratmetern im Innenbereich und mit Öffnungszeiten von Donnerstag bis Samstag. „Das hat sich immer mehr hochgeschaukelt“, stellt Michael Schmidt fest. Aus Bleichenbach stammend bekam er bereits sehr früh Einblicke in ein Großhandelsunternehmen im Ort, verkaufte lange Zeit Süßwaren auf verschiedenen Märkten und kannte sich dadurch schon aus im Handel.
So wurde das Angebot im „Hofstüberl“ immer breiter, irgendwann kamen Südfrüchte hinzu, Trauben, Zitronen, Clementinen. „Wir achten dabei auf kurze Wege“, erklärt das Paar. Schließlich gebe es das meiste auch aus Österreich und Italien, in wesentlich kürzerer Entfernung zu Deutschland als etwa Spanien oder Afrika. „Hauptsächlich arbeiten wir jedoch mit Landwirten unmittelbar aus der Umgebung“, erzählt Schmidt.
Heute hat das „Hofstüberl“ an fünf Tagen in der Woche geöffnet: Der Laden ist inzwischen ein Vollzeitjob geworden. Eigene Eier verkauft das Paar noch immer. „Allerdings brauchen wir 500 Stück in der Woche“, sagt Michael Schmidt. Um diesen Bedarf zu decken, stimmt er sich kurzfristig mit den Landwirten aus der Region ab. „Ich schreibe einfach kurz eine Nachricht, wer gerade so viele Eier da hat, und dann fahre ich sie abholen.“ Fleischwaren bekommt er täglich frisch vom Bauernhof Velte in Bindsachsen, Honig kommt ebenfalls aus unmittelbarer Nähe von der Naturimkerei Zimmermann in Rinderbügen, Ziegenkäse vom Ziegenhof Bretthauer in Leisenwald und Milchprodukte vom Weidenhof in Wächtersbach. „Irgendwann fragten immer mehr Kunden, ob ich nicht auch Backwaren hätte“, erzählt der gebürtige Bleichenbacher. Dann sei er auf den Regenbogenhof in Kirchbracht aufmerksam geworden, der ihn seitdem mit hofeigenen Bio-Vollkornbackwaren versorgt. Im Sommer gibt es Erdbeeren aus dem Vogelsberg, im Winter liefert der gleiche Betrieb Weihnachtsbäume. So erweiterte sich das Angebot Stück für Stück. Irgendwann kamen Beetpflanzen aus einer Gärtnerei in der Umgebung hinzu, dann kleine Geschenkartikel. Eine Frau aus Wolferborn verkauft selbstgemachte Grußkarten im „Hofstüberl“. Auch Feinkostspezialitäten, etwa Liköre, Gewürze oder Dips, kamen irgendwann hinzu.
Über Verwandtschaft von Sabine Daschmann kam das Paar in Kontakt zu einem Hof in Südtirol, ein Bekannter dort fährt wöchentlich rüber nach Deutschland und beliefert ihn mit Produkten aus der beliebten Urlaubsregion in Norditalien – Schüttelbrot, Speck und Schinken, verschiedene Alm- und Bergkäse. „Diese Produkte bekommt man hier sonst nicht. Und sie werden gut angenommen: Wir bieten inzwischen zwölf verschiedene Sorten Salami an“, erklärt Michael Schmidt. Das neueste Angebot gibt es erst seit einer Woche: frisch gekochte Wildgerichte in der Dose von einem Chefkoch aus Michelstadt im Odenwald, der durch die Corona-Krise aktuell nicht arbeiten kann. Auch das Wild stammt aus dem Odenwald.
Vieles in Bio-Qualität
Viele Produkte im „Hofstüberl“ sind Bio-Qualität. Dabei kommt es Michael Schmidt darauf gar nicht vorrangig an, wie er sagt: „Die Bio-Zertifizierung kostet für die Landwirte. Inzwischen gibt es auch in der konventionellen Landwirtschaft so viele Auflagen, dass es darauf nicht mehr so sehr ankommt.“ Die Qualität ist es, worum es ihm geht. „Wir verkaufen keine Supermarktware“, sagt Schmidt ganz klar.
Wenngleich das Sortiment inzwischen fast alles bietet, was man auch in einem Supermarkt kaufen könnte. Immer öfter sagten Kunden etwas wie: „Haste nicht noch eine Sahne da? Dann muss ich nicht noch woanders hin.“ So passte das Paar das Angebot nach und nach an. „Die Menschen sind es eben gewöhnt, fast rund um die Uhr alles verfügbar zu haben, das haben die Märkte einem so antrainiert“, meint Schmidt. Oft genug fragten Leute das Paar, wieso der Laden erst um 11 Uhr öffnet. Wie viel Arbeit dahintersteckt und dass sie inzwischen kaum mehr Zeit zum Schlafen haben, wüssten die wenigsten, meinen sie. „Viele beschweren sich über die Ware im Supermarkt. Bei Kartoffeln aus Ägypten etwa. Muss das wirklich sein?“, meint Sabine Daschmann. Kartoffeln gebe es schließlich genug in der Wetterau. „Der Geschmack von regionalen, frisch produzierten Waren ist einfach ein ganz anderer. Ich könnte auch Zitronen oder Mandarinen im Netz kaufen, von denen zwei oder drei mit Sicherheit schon schlecht sind“, ergänzt Schmidt. „Viele Kunden sehen das auch so und schätzen unseren Laden deshalb sehr.“
Denn genau das ist es, was das „Hofstüberl“ ausmacht: Michael Schmidt und Sabine Daschmann machen alles selbst. Keine Zwischenhändler, also auch keine Lieferketten, keine Großkonzerne, nichts aus Massenproduktion. Sie wissen, wie die Tiere gehalten werden, dort, wo sie einkaufen, und können garantieren, dass ihre Ware nicht nachbehandelt worden ist. Damit alles frisch ist, fahren sie mehrmals in der Woche zu den Landwirten. Auch der Abfall wird auf ein Minimum reduziert: Bleiben im Sommer zum Beispiel Beeren liegen, werden sei zu Marmelade verarbeitet und verkauft. Übriggebliebenes Gemüse geht an die Landwirte, die es an ihre Tiere verfüttern. So viel Ware wie möglich wird unverpackt ge- und verkauft.
Steigende Nachfrage
Dass die Nachfrage an regionalen Produkten steigt, können Sabine Daschmann und Michael Schmidt bestätigen: „Immer mehr Menschen sehen das und schätzen unser Angebot.“ Neben den Stammkunden kommen jede Woche auch neue, die neugierig aufs „Hofstüberl“ sind. Zweieinhalb Jahre dauert es, meint Michael Schmidt, bis ein fester Kundenstamm sich etabliert hat. Für die Zukunft wird sich das Paar weiterhin von der Nachfrage der Kunden leiten lassen. Für den Sommer planen sie, sofern Corona es zulässt, regionales Eis anzubieten und ein paar kleine Tische und Stühle im Hof aufzustellen. Irgendwo ziehen aber auch sie eine Grenze: Der Einfluss der Corona-Krise auf die Wirtschaft führt zu steigenden Transportkosten bei Lebensmitteln aus dem Ausland. „Ab einem gewissen Preis ist bei uns eine Grenze erreicht. Dann haben wir eben mal keine Gurken oder keinen Brokkoli.“
„Wir werden es wohl schaffen“
Von Inge Schneider
KA 21.12.
BÜDINGEN. Es ist der Samstag vor dem vierten Advent, Büdingen glänzt im weihnachtlichen Schmuck, die Schaufenster sind festlich und liebevoll dekoriert – nur die üblichen Kundenscharen sucht man vergebens: Der zweite Lockdown hat den gewohnten Handel zum Erliegen gebracht.
„Der Gewerbe- und Verkehrsverein unter der Führung von Tanja Kolb hat die zweite Corona-Welle und die nachfolgende Entwicklung kommen sehen“, sagt Christine Brand, Inhaberin von Kraft-Schuhmode in der Vorstadt. Gemeinsam mit Schwiegertochter Katrin Seybold und Azubi Julia Herrmann hält sie, wie viele ihrer Kollegen, vor Ort die Stellung. „Wir sind diesmal besser vorbereitet als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Zudem bietet uns die hessische Gesetzgebung, anders als zum Beispiel in Bayern, die Möglichkeit, einen kontaktlosen Bestell- und Abholservice aufrechtzuerhalten und dafür zumindest die Ladentür und eine Theke direkt im Eingangsbereich der Geschäfte bereitzustellen.“ Bei genauerem Hinsehen nutzen viele Geschäfte in Büdingens Vor-, Neu- und Altstadt diese Möglichkeit.
„Unsere Homepage www.gewerbevereinbuedingen.de bietet das, was man heutzutage ,Click & Collect‘ nennt: Man bummelt virtuell, hat die vielen Geschäfte, die bei der Aktion des Gewerbevereins mitmachen, übersichtlich auf dem Bildschirm, wählt aus, bestellt per Click und holt alles ohne Lieferwege vor Ort ab“, erläutert Christine Brand. „Andere Kunden bestellen telefonisch, per E-Mail oder sie schicken uns via Smartphone ein Bild unserer Schaufenster, auf dem sie ihr Wunsch-Schuhpaar markiert haben.“ Innerhalb Büdingens und der Ortsteile liefert Kraft-Schuhmode kostenlos aus, ab einem Bestellwert von 60 Euro auch darüber hinaus. „Wir sind schneller, günstiger und darüber hinaus umwelt- und klimaschonender als der Online-Großhandel“, betont Brand, die von der Überlastung der Postboten und vom hohen Retouren-Aufkommen gerade im Bereich Mode, das heißt vor allem Bekleidung und Schuhe, berichtet. „Unglaubliche 60 Prozent aller in diesem Bereich online bestellter Waren gefällt oder passt nicht und geht zurück. Man redet viel von persönlichen Beiträgen zum Umweltschutz: Da können der stationäre Handel und seine Kunden wirklich einen konkreten Beitrag dazu leisten. Denn dank guter Beratung sind Retouren und Umtausch beim Kauf vor Ort so gut wie ausgeschlossen – es ist die viel beschworene Win-Win-Situation für alle Beteiligten, sagt Christine Brand. Abschließend berichtet sie von der noch größeren Kundennähe, dem Zusammenrücken und den zahlreichen Sympathiebekundungen in Form von Post, selbst gebackenen Plätzchen und kleinen Präsenten. „All das tut uns Gewerbetreibenden so gut – hoffentlich bleiben die Nähe und die Einsicht in die Bedeutung des lokalen Handels auch nach Corona bestehen. Natürlich ist der aktuelle Umsatz nur ein Tropfen auf den heißen Stein, verglichen mit den sonstigen Zahlen in der Weihnachtszeit. Aber dank unserer Vorbereitung, den technischen und gesetzlichen Möglichkeiten sowie der Treue unserer Kunden werden wir es wohl schaffen, zumindest die meisten von uns“, schließt die Geschäftsinhaberin nachdenklich.
Auf der Straße findet man das Kundenwohlwollen sofort bestätigt: Roswitha Reutzel aus Kefenrod wartet vor der Blumen-, Geschenk- und Deko-Boutique „Wunschwerk“ geduldig, bis der Herr vor ihr sein adventliches Gesteck abgeholt hat. Online-Bestellungen bei den Versandgiganten kommen für sie in der diesjährigen Vorweihnachtszeit nicht in Frage. „Dank des Bestell- und Abholservices kann man die Geschenke zu Hause auswählen, vor Ort abholen und kontaktlos bezahlen. Das ist unkompliziert, sicher und es nutzt den einheimischen Geschäftsleuten. Es täte mir in der Seele leid, wenn sie diesen zweiten Lockdown nicht überstünden.“
Eine ganz ähnliche Wahl tritt Kundin Corinna Reinhardt, selbst Geschäftsfrau und Friseurin aus Düdelsheim, vor Fannys Café am Jerusalemer Tor: „Hier decke ich mich mit meiner Familie auch in diesen Zeiten zum Kaffee ein. Dafür nehme ich die kleine Anfahrt auf mich und komme sogar am ersten Feiertag. Sinya Merchants Kuchen und Torten sind etwas vollkommen anderes als abgepackte Ware aus dem Supermarkt.“ Die angesprochene Geschäftsinhaberin und ihre junge Mitarbeiterin Helena Jochem freut der Zuspruch. Ihre Kaffee-, Kuchen- und Tortekarte liest sich wie ein kulinarisches Wintermärchen: Gewürz- und Zimtstern-, Apfel-Mandel- und Birne-Walnuss-Kuchen, Nougat-, Eierlikör- und Pfirsich-Mango-Torte stehen für die Sorgfalt und Liebe, mit der dort gebacken und konditorisch gearbeitet wird.
Bei Helga Fink in der Geschenk-Boutique „Pünktchen“ inmitten der Neustadt kann man neben den bereits genannten Bestellmöglichkeiten auch vor Ort auf das Gewünschte deuten und durch die Schaufensterscheibe zusehen, wie das Geschenk geschmackvoll verpackt wird.
Mitarbeiterin Pauline Wolf vom Uhren- und Schmuckgeschäft Türck hat bald Feierabend und geht ins Wochenende – doch am heutigen Montag und bis Heiligabend öffnet die alteingesessene Juweliersfamilie unter Inhaberin Stefanie Kleta-Schubert ihre Türen unter Auflagen für die Kunden und steht gern zur telefonischen Beratung und Vorbestellung bereit. Goldschmiedemeisterin Sabine Alzheimer und ihre Kollegin Andrea Morin haben zwar ihr Ladengeschäft geschlossen, der Werkstattbetrieb mit Annahme und Abholung läuft jedoch weiter.
Wie viele andere Gastronomen hat die Pizzeria „La Locanda“ ebenfalls auf Bestell- und Abholservice umgestellt. Nur für die beliebten kleinen Eckkneipen wie die „Pressluft“, die von ihrer gemütlichen Enge und dem Verkauf von Getränken vor Ort leben, gibt es aktuell keine Öffnungschance. „Wege Corona geschlossen“ steht auf dem Türschild. Dahinter verbirgt sich möglicherweise eine unternehmerische Existenz in Gefahr.
Aktionsplan für die ländlichen Räume
Unter dem Motto "Starkes Land - Gutes Leben / Aktionsplan für die ländlichen Räume" gibt es ein Förderprogramm der hessischen Landesregierung.
Mit einem Aktionsplan wird an der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse gearbeitet.
https://www.land-hat-zukunft.de/
Handlungsfelder & Förderung
- Förderdatenbank Hessen
- Neues aus der Förderung
- Ländliche Räume gemeinsam gestalten
- Mobilität
- Digitalisierung
- Betreuung, Bildung & Arbeit
- Landschaften & regionale Nahrungsmittel
- Gesundheit
- Zusammenhalt, Integration & Sport
- Kultur
- ...
In diesem Rahmen gibt es auch das Förderprogramm "STARKES DORF – Wir machen mit!"
Seit Januar 2021 können wieder Anträge gestellt werden.
Gefördert werden Maßnahmen (Kleinprojekte), die den gesellschaftlichen Zusammenhalt eines Ortes bzw. eines Ortsteils stärken, den Zusammenhalt der Generationen fördern und die Lebens- und Aufenthaltsqualität dörflicher Zentren verbessern. So können zum Beispiel die Gestaltung eines Platzes, das Aufstellen einer Bank aber auch das gemeinsame Errichten eines Spiel- oder eines Grillplatzes bezuschusst werden. Nicht förderfähig sind einmalige Veranstaltungen, Feste, Märkte etc. Der jeweilige Zuschuss bewegt sich zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro. Das Projekt muss noch im Jahr 2021 abgeschlossen werden.
Das Programm ist als Wettbewerb konzipiert, um den sich Vereine, Verbände, Freiwilligenagenturen sowie gemeinnützige Organisationen und private Initiativen mit gemeinnützigem Träger bewerben können. Ortsbeiräte sind nicht antragsberechtigt. Für die Bearbeitung der Anträge ist die Reihenfolge des Eingangs maßgeblich. Nach Ausschöpfen des jährlichen Budgets können keine weiteren Anträge mehr berücksichtigt werden.
Bis zum 30. September 2021 können Anträge gestellt werden. Mehr Informationen zum Förderprogramm erhalten Sie auch unter: landhatzukunft.hessen.de